Fit für den Beruf: Migranten als Ausbilder

Fit für den Beruf: Migranten als Ausbilder

von Karl-Heinz Heinemann • Artikel im ZMI Magazin 2010, S. 30

Francesca Graci hat ein kleines Möbelgeschäft in der Kölner Innenstadt. Die Söhne und Neffen helfen ihr beim Transport und bei der Montage, und ihre Tochter lernt bei ihr als Verkäuferin. Im nächsten Mai macht sie ihre Abschlussprüfung. „Und wenn ich die bestehe, bin ich Kauffrau im Einzelhandel“, sagt Tochter Maria Elisa stolz. Sie hat den Realschulabschluss, und ihre Mutter möchte eigentlich, dass sie mal studiert. Denn sie selbst kam ohne jeden Schulabschluss mit ihrer Familie nach Deutschland, und eine abgeschlossene Berufsausbildung hat sich auch nicht. Und sie weiß, wie schwer man es ohne solche Papiere hat. Aber sie führt erfolgreich ihr Möbelgeschäft in einer teuren Innenstadtlage.

Frau Graci hat keine Ausbildung zur Verkäuferin gemacht. Dennoch darf sie ihre Tochter ausbilden. Man ahnt etwas von ihrem Verkaufstalent, wenn sie bei einem Espresso an einem der Eichenholztische aus ihrer Verkaufsausstellung ihre Geschichte erzählt. „Ich habe es immer im Blut gehabt. Ich habe gern mit anderen Leuten zu tun, rede mit ihnen, das hat immer geklappt bei mir.“ Nachdem sie mit ihrer Familie aus Italien gekommen war, hat sie mal in einer Metzgerei gearbeitet, dann in einem Möbelgeschäft, und seit acht Jahren hat sie ihre eigene Firma. Und dann hat sie bei der Industrie- und Handelskammer beantragt, ihre Tochter ausbilden zu dürfen. Da kam dann eine Frau zu ihr in den Laden, hat sie in ein Verkaufsgespräch verwickelt. Das war ein Test, hat sie erst hinterher erfahren: Wie geht sie mit den Kunden um, mit stressigen Situationen, wenn da gleich mehrere etwas von ihr wollen? Sie hat den Test offenbar mit Bravour bestanden.
Die Tochter Maria Elisa holt den Aktenordner mit den Bescheinigungen hervor: Da wird ihr die fachliche Eignung als Verkäuferin zugesprochen, und sie hat von der Industrie- und Handelskammer den Ausbilderschein bekommen. Denn wer ausbilden will, muss nicht nur fachlich geeignet sein, sondern auch pädagogisch. Dafür muss man eine Prüfung nach der Ausbildereignungsverordnung ablegen, eigentlich. Darin geht es um rechtliche und pädagogische Fragen, wie man eine Ausbildung plant und seine Auszubildenden auf ihre Prüfungen vorbereitet. „Die meisten lassen sich auf diese Prüfung von einem Weiterbildungsanbieter vorbereiten“, weiß Gregor Berghausen, der bei der IHK Köln für die Berufsausbildung zuständig ist. Der Kurs dafür dauert dann etwa 80 Stunden.
Um diesen Kurs und die Prüfung ist Francesca Graci herumgekommen, denn von 2003 bis zum Juli 2009 war die Ausbildereignungsverordnung außer Kraft gesetzt. Damit sollte einbürokratisches Ausbildungshemmnis beseitigt werden, wie es hieß, um eben auch Menschen wie sie zu bewegen, junge Leute auszubilden. „Aus unserer Sicht hat das nur bedingt Erfolg gehabt“, meint Gregor Berghausen von der IHK. „Da sind sicherlich eine ganze Reihe Betriebe neu in die Ausbildung eingestiegen. Aber wenn es Probleme mit den Auszubildenden gibt, dann merken die Betriebe, dass sie diese Qualifikationen doch brauchen. Da fehlt es ihnen dann am notwendigen Handwerkszeug.“ Und die Qualität der Ausbildung habe gelitten – mehr junge Menschen haben ihre Ausbildung abgebrochen oder ihre Prüfung nicht bestanden. Deshalb begrüßen es sowohl Arbeitgeber wie auch die Gewerkschaften, dass seit August wieder jeder Ausbilder seine pädagogischen Fähigkeiten nachweisen muss. Jeder? Francesca Graci ist davon nicht betroffen. Wer einmal den Schein hat, egal ob mit Prüfung oder ohne, der behält ihn auch, wenn keine Beschwerden gegen ihn oder sie vorliegen. Und für Fälle wie diesen, wo jemand seine Tochter oder seinen Neffen ausbildet, gibt es ohnehin Ausnahmeregeln. „Wir gehen davon aus, dass Familienmitglieder auch ohne pädagogische Schulung miteinander umgehen können“, meint Berghausen. Ist die Ausbilderprüfung eine Hürde, von der besonders Firmen von Migranten betroffen sind? Das glaubt Berghausen nicht. Kleine Unternehmen, wo der Chef oder die Chefin selbst auf die Schulbank muss, tun sich ganz allgemein schwerer damit, und die Unternehmen von Migranten sind halt meist Kleinbetriebe. Im Handwerk ist die Zulassung zur Ausbildung ohnehin kein Problem, weil man im Meisterkurs automatisch den Ausbilderschein erwirbt.
Das Bundesinstitut für Berufsbildung ist der Frage nachgegangen: Was kann man tun, damit mehr Migrantinnen und Migranten ausbilden? Und tatsächlich sehen viele von ihnen im Zeitaufwand für den Kurs eine hohe Hürde – wie übrigens auch Deutsche mit Kleinunternehmen. Und hinzu kommen Sprachprobleme: Unverständliche Arbeitsblätter, schwierig formulierte Prüfungsfragen. Auch hier gilt das Gleiche für deutsche Prüfungsteilnehmer: Wer keine lange Schulausbildung oder gar ein Studium genossen hat, der stolpert über manche Formulierungen in den Aufgaben. Deshalb hat nun KAUSA, die „Koordinierungsstelle Ausbildung in ausländischen Unternehmen“ Materialien zur Vorbereitung von Ausbildern in vielen Migrantensprachen herausgebracht. KAUSA ist eine Einrichtung des Bundesinstituts für Berufsbildung. Und dort werden nun auch spezielle Kurse für ausländische Ausbilder vorbereitet – nicht mit einem geringeren Niveau, aber mit auf ihre Lernbedürfnisse abgestellten Materialien.
Maria Elisa Graci ist jedenfalls mit ihrer Ausbildung bei der Mutter zufrieden: „Sie nimmt mich oft auf Möbelmessen nach Italien mit, da lerne ich viel. Ich begleite sie zu den Kunden, da bekomme ich mit, wie man mit denen umgeht. Natürlich gibt es auch Nachteile, wenn man bei der eigenen Mutter lernt. Sie ist auf jeden Fall sehr streng und stellt hohe Anforderungen!“
Nun hat ihre Mutter den Ausbilderschein, auch ohne formelle Ausbilderprüfung, und den kann sie auch behalten, weil sie ihre Tochter erfolgreich ausbildet. Ob sie danach auch andere Lehrlinge nimmt, weiß sie noch nicht. Wenn ihre Tochter im Betrieb bleibt, dann gäbe es zu wenig zu tun für einen weiteren Auszubildenden, meint sie. Aber auch für andere Migranten ist ein Ausbilderschein nicht unerreichbar, im Gegenteil.

Weitere Informationen:
Report zu den Folgen, die der Verzicht auf die Eignungsprüfung für Ausbilder hatte: www.bibb.de/de/32006.htm

Broschüren zur Ausbildung in ausländischen Unternehmen, auch in Migrantensprachen: www.jobstarter.de/de/2040.php

Bericht über die Qualifizierung von Ausbildungspersonal ausländischer Herkunft: www2.bibb.de/tools/fodb/pdf/eb_29006.pdf