Netzwerk für Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte entwickelt sich rasch

Die Integration von Schülerinnen und Schülern voranbringen:
Netzwerk für Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte entwickelt sich rasch

von Dr. Antonietta P. Zeoli • Artikel im ZMI Magazin 2010, S. 22

Netze vernetzen: „Lehrerinnen und Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte können einen wichtigen Beitrag zur Integration von Kindern und Jugendlichen leisten“, erklärt Dr. Antonietta P. Zeoli, Landeskoordinatorin des Netzwerks der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte. Lehrerinnen und Lehrer nicht deutscher Abstammung bringen vieles mit, was die Schule bereichern kann. So können sie beispielsweise aufgrund eigener Erfahrungen besser nachvollziehen, welche Probleme, aber auch welche Chancen das Aufwachsen in einer Kultur mit sich bringt, die teilweise anders ist als die der eigenen Eltern. Häufig sind sie zweisprachig aufgewachsen und können sich in Kinder hineinversetzen, die zu Hause eine andere Sprache sprechen als in der Schule.

Das Netzwerk hat sich seit seiner Gründung auf Initiative des Ministeriums für Schule und Weiterbildung im November 2007 rasch entwickelt – die Zahl der Mitglieder ist von 24 auf über 400 gestiegen. Die Ziele des Netzwerks bestehen unter anderem darin, unter Migrantinnen und Migranten für den Lehrerberuf zu werben, Studierende und Referendare mit ausländischer Herkunft zu begleiten und Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund miteinander zu vernetzen und zu unterstützen. Besonders interessiert ist das Netzwerk auch an einem regen Austausch mit Lehrkräften, die nicht über bilinguale und bikulturelle Erziehungserfahrungen verfügen. Das Netzwerk wird sowohl von der Regionalen Arbeitsstelle für ausländische Kinder und Jugendliche (RAA NRW), als auch dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales sowie dem Schulministerium unterstützt.
Während ein Drittel der Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen ausländische Wurzeln hat, ist dies lediglich bei ein und zwei Prozent der Lehrerinnen und Lehrer der Fall. Aber gerade Lehrkräfte mit Zuwanderungsbiographien sind Vorbilder für gelungene Integration und können als Mittler zwischen den Kulturen fungieren. Damit ihre Zahl in Zukunft wächst, sieht der Integrationsplan der Landesregierung vom Juni 2006 unter anderem vor, unter den Abiturientinnen und Abiturienten mit Zuwanderungsgeschichte gezielt für den Lehrerberuf zu werben. Das ist allein schon vor dem Hintergrund der Herausforderungen des demografischen Wandels und dem prognostizierten Fachkräftemangel wichtig. Auch die Nennung des Projektes im Koalitionsvertrag Bündnis 90/Grüne & SPD zeigt, dass von diesem erfolgreichem Vorhaben noch einiges zu erwarten ist.
Die Netzwerkmitglieder möchten über den Lehrerberuf informieren und für den Lehrerberuf in Oberstufenklassen und im Rahmen von Berufsberatungstagen in Nordrhein-Westfalen werben. Das Netzwerk muss bekannter werden, damit Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte sich melden und erfasst werden können. Deshalb soll verstärkt Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Hinzu kommt die Beratung und Begleitung von Lehramtsstudierenden oder Referendarinnen und Referendaren. Der Auftakt dazu erfolgte im November 2009 in Zusammenarbeit mit der Universität Dortmund. Ein reger  Informationsaustausch zwischen Migrantenorganisationen und Elterninitiativen wird ebenfalls angestrebt. Schule muss gesellschaftliche Realität reflektieren. Für alle Lernerinnen und Lerner ist der schulische Kontext ein wichtiger Bestandteil des Alltags. Interkulturelle Öffnung von Schule muss daher alle Ebenen unserer Bildungsarbeit betreffen: Elternpflegschaft, Schulleitung, Fachleitung, Lehrerkollegium und alle Schülerinnen und Schüler.
Im Zusammenhang mit Migration haben sich die Medien daran gewöhnt, die Sprach- und Integrationsdefizite in den Vordergrund zu stellen. Die Zahl der Zuwanderkinder, die die Schulen in NRW ohne Abschluss verlassen, ist zweifelsohne zu groß. Dieses Faktum darf nicht verdrängt werden, allerdings sollten in diesem Kontext die talentierten, schulinteressierten und auch erfolgreichen Zuwanderer nicht außer Acht gelassen werden. Eben diese Erfolgsgeschichten sind ein wichtiger Motivationsfaktor in Beratungssituationen mit Schülerinnen und Schüler sowie Eltern nicht deutschen Herkunft. Dieses Leitmotiv begleitet die Informationsreihe des Netzwerks der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte für Eltern und Kinder italienischer Herkunft in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Generalkonsulat in Köln. Die Lehrkräfte des Netzwerks italienischer Herkunft haben Workshops im Ehrenamt zu Themen wie: bilinguale Erziehung, Übergang Schule/Beruf oder Schulformwechsel angeboten.
Die stetig steigende Zahl von Lehrkräften mit Zuwanderungsgeschichte, die sich für die ehrenamtliche Arbeit im Netzwerk interessiert, zeigt, dass es die erfolgreichen Kinder der sogenannten „Gastarbeitergeneration“ gibt und sie eine wertvolle Ressource im Arbeitsalltag der Schule in NRW sind. Sie kennen viele Probleme aus eigener Erfahrung. „Diese Lehrkräfte leisten eine wichtige Integrationsarbeit und tragen zur Öffnung der Lehrerkollegien bei. Die Erfahrungen zeigen, dass diese Lehrerinnen und Lehrer im Bereich des interkulturellen Lernens, aber auch durch ihre Mehrsprachigkeit im besonderem Maße geeignet sind, Eltern mit Migrationshintergrund bei der Laufbahnberatung ihrer Kinder zur Seite zu stehen. Sie kennen viele Probleme, und ihre Fähigkeit des authentischen Perspektivwechsels in nicht immer leichten Beratungssituationen macht ihre Arbeit im Kollegium wertvoll“, so Herr Verfürth, Schulleiter am Montessori Leibniz Gymnasium in Düsseldorf im Nachklang der Netzwerkjahresfeier im November 2009.
Auch in diesem Jahr vergibt das Netzwerk Stipendien zur Teilnahme am Schülercampus „Migranten werden Lehrer“. Angehende Abiturienten, die sich für ein Lehramtsstudium interessieren, können teilnehmen. Die Bewerbungsfrist endete am 5. Dezember 2010.