„Lernen vor Ort“ – Familienbildung für Köln

„Lernen vor Ort“ – Familienbildung für Köln

von Roland Bellinghausen • Artikel im ZMI Magazin 2012, S. 33

Mütter und Väter sind die wichtigsten Bezugs- und Vertrauenspersonen ihrer Kinder. Bildung findet zu allererst in der Familie statt. Um Bildungschancengleichheit zu erreichen und kein Kind zurück zu lassen ist es daher von zentraler Bedeutung, Eltern in der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen, sie aktiv mit einzubeziehen und gemeinsam die Bildungsbiographien ihrer Kinder positiv zu gestalten. Familienbildung muss sich dabei an den individuellen Stärken der Kinder und ihrer Familien orientieren. Interkulturalität und Mehrsprachigkeit sind zwei dieser Stärken, die in vielen Kölner Familien vorhanden sind. Dies gilt es als Chancen zu erkennen und systematisch zu fördern. Schulische, vor- und außerschulische Bildungseinrichtungen in Köln öffnen sich daher zunehmend und bieten bedarfs- und zielgruppenorientierte Angebote der Familienbildung. Nur so kann es gelingen, Chancengleichheit herzustellen, Bildungsverläufe zu optimieren und gemeinsame Lernprozesse positiv zu gestalten.

Von 2009 bis 2012 wurden im Rahmen des Programms „Lernen vor Ort“ gemeinsam mit den Kölner Bildungsakteuren Strategien zum lebenslangen Lernen ohne Brüche entwickelt, die den gesellschaftlichen und strukturellen Veränderungen der Stadt erfolgreich begegnen.
Im Aktionsfeld Familienbildung – einem von insgesamt sechs Aktionsfeldern des Programms „Lernen vor Ort“ – lag der Fokus auf Bildungsangeboten im Elementar- und Primarbereich. Das Aktionsfeld war daher sowohl im Amt für Kinder, Jugend und Familie als auch bei der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kinder und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA) im Amt für Weiterbildung angesiedelt, die Teilprojektleitung lag bei der RAA.
Durch die koordinierte Steuerung von interkulturellen und mehrsprachigen Maßnahmen der Familienbildung sowie durch die Entwicklung neuer Konzepte, Produkte und Veranstaltungen der Eltern- und Fachkräftequalifizierung sollten im Aktionsfeld Familienbildung folgende Ziele erreicht werden:
• Die Erhöhung der Elternmitwirkung in schulischen, vor- und außerschulischen Bildungseinrichtungen
• Die Verbesserung der allgemeine Erziehungskompetenz von Eltern, mit einem besonderen Fokus auf bildungsbenachteiligte Familien
• Die Förderung der Sprachkompetenz von Eltern und Kindern, sowohl in der deutschen als auch in weiteren Familiensprachen
Im Projektzeitraum von „Lernen vor Ort“ hat das Aktionsfeld Familienbildung gemeinsam mit Kindertagesstätten und Familienzentren, mit Grundschulen und Trägern des Offenen Ganztags und mit außerschulischen Institutionen wie interkulturellen Zentren, Eltern- und Migrantenorganisationen, Museen und Bibliotheken an der Erreichung dieser Ziele gearbeitet. Das ZMI war hierbei von Anfang an ein wichtiger Partner. Im Folgenden sollen exemplarisch zwei Beispiele der gelungenen Kooperation aufgezeigt werden. Auch nach dem Projektende von „Lernen vor Ort“ Ende August 2012 wird das ZMI gemeinsam mit den beteiligten Fachämtern der Stadt Köln die Nachhaltigkeit der im Aktionsfeld Familienbildung entwickelten Produkte, Konzepte und Maßnahmen sichern und den Transfer ermöglichen.

„Kinder in aller Welt“
Interkulturelle und mehrsprachige Bibliotheksabteilungen
Im Sommer 2011 eröffnete das Aktionsfeld Familienbildung in Kooperation mit der StadtBibliothek Köln und der Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwanderfamilien (RAA) zwei interkulturelle Bibliothekseinheiten für Eltern und Kinder in den Stadtteilbibliotheken Mülheim und Nippes.
Fast 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Köln haben einen Migrationshintergrund und wachsen mit mehr als einer Sprache auf. Diese kulturelle und sprachliche Vielfalt soll sich zunehmend auch im Medienangebot der Stadtbibliothek widerspiegeln. Die neuen Abteilungen „Kinder in aller Welt“ in Mülheim und Nippes sind hierfür wichtige Schritte.
Ausgewählt wurden die Standorte in Mülheim und Nippes, da die Bevölkerung dort besonders vielfältig ist und die Stadtteilbibliotheken zu den am besten besuchten in Köln zählen. Zudem sind die Bibliotheken gut vernetzt mit schulischen und vorschulischen Bildungseinrichtungen, sodass die neuen Abteilungen schon vor der offiziellen Eröffnung gut beworben und besucht wurden.
Ein Beleg für diese erfolgreiche institutionsübergreifende Kooperation war die mehrsprachige Lesung der Kinder der Klasse 4c der Gemeinschaftsgrundschule Alte Wipperfürther Straße im Rahmen der Mülheimer Eröffnungsfeier. Die Kinder lasen aus dem Kinderbuch „Arthur und Anton“ von Sibylle Hammer in ihren Familiensprachen: auf Deutsch, Englisch, Portugiesisch, Spanisch und Türkisch.

2. Kölner Elternkongress
„Familienreise zu den Kulturen der Welt!“
Knapp 1500 Eltern und Kinder besuchten im Frühjahr 2012 den 2. Kölner Elternkongress im Rautenstrauch-Joest-Museum. Von 11 bis 17 Uhr konnten sie sich im Familienteam auf eine Reise durch das Museum und zu den Kulturen der Welt begeben. Hierbei stand vor allem die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Kölner Familien im Vordergrund.
Nachdem Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes die Eltern und Kinder in neun Sprachen begrüßt hatte, brandete Applaus auf. „Mit diesem Kongress heute sollen Familien in ihrer Mehrsprachigkeit gestärkt werden. Sie, liebe Eltern, beschenken ihre Kinder mit ihrer Mehrsprachigkeit und damit beschenken sie uns alle. Denn Mehrsprachigkeit bedeutet Vielfalt und Stärke.“
Staatssekretär Professor Klaus Schäfer vom Landesministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport unterstrich zudem die Bedeutung von Familienbildung: „Ich freue mich, dass mit dem Elternkongress in Köln eine noch frische Tradition begründet wird, die ich außerordentlich begrüße: Das direkte Gespräch mit Ihnen allen, mit den Eltern. Das ist nicht selbstverständlich, denn oft genug wird über Familien und über Eltern gesprochen, aber nicht mit ihnen.“
Kurz vor 13 Uhr war es dann endlich so weit: 600 Kinder ließen ihre roten und weißen Luftballons vom Innenhof des Museums in den Himmel steigen. „Kölner Familien grüßen die Welt!“ stand in neun Sprachen auf den Postkarten, die die Kinder zuvor an die Luftballons gebunden hatten. Den Startschuss hierzu gab Staatssekretär Professor Klaus Schäfer gemeinsam mit Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und Gabriele Hammelrath, Leiterin des Amtes für Weiterbildung. Zugleich war dies der Auftakt zur „Familienreise zu den Kulturen der Welt“.
In fünf Workshops, die jeweils stündlich angeboten wurden, konnten Eltern und Kinder spielerisch und kreativ Einblick in unterschiedliche Kulturen erlangen. Begeistert bastelten die Kleinen javanische Schattenspielfiguren, tanzten mit ihren Eltern den indonesischen Begrüßungstanz, bauten Tipis der Blackfoot-Indianer nach und malten riesige Mandalas. Viele Familien nutzten zudem die Möglichkeit, sich mit Kopfbedeckungen aus unterschiedlichen Kulturen fotografieren zu lassen.
Ein besonderer Höhepunkt des Kongresses war der Familienparcours – ein Museumsbegleitheft für Familien, das in neun Sprachen (Türkisch, Russisch, Polnisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch, Französisch, Englisch und Deutsch) vorlag. Neugierig und mit großem Interesse erkundeten die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern die Ausstellung in ihren Familiensprachen.

Veranstaltet wurde der Kongress unter der Federführung des Aktionsfeldes Familienbildung in Kooperation mit dem städtischen Museumsdienst, dem Rautenstrauch-Joest-Museum, dem Amt für Weiterbildung/RAA, der Lernenden Region – Netzwerk Köln e. V. und dem ZMI.

Das Aktionsfeld Familienbildung hat eine abschließende Transferdokumentation erstellt, die einen Überblick über sämtliche Veranstaltungen, Konzepte und Produkte gibt, die im Projektzeitraum entwickelt wurden. Unter www.bildung.koeln.de/regionale_projekte/lernen_vor_ort/aktionsfeld_familienbildung/ kann diese eingesehen und herunter geladen werden. Für Printversionen, weitere Fragen und Anregungen können Sie sich zudem gern an die RAA wenden, die die Nachhaltigkeit der Projektergebnisse sichert und den Transfer koordiniert.