Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in der Schule – ein Blick über den Tellerrand

Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in der Schule – ein Blick über den Tellerrand

Johanna Grießbach • Artikel im ZMI Magazin 2017, S. 11

Am 16. und 17. März 2017 fand an der Universität zu Köln das Internationale Symposium Newly Arrived Migrant Children in Schools in Europe statt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sieben europäischen Ländern diskutierten mit den Vertreterinnen des Netzwerks „Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in der Schule“ an der Universität zu Köln über die Chancen und Herausforderungen des Schulbesuchs dieser Schülerinnen und Schüler, die ohne oder nur mit geringen Kenntnissen der jeweiligen Landessprache in die Schule kommen.

Wie werden neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler in Schulen aufgenommen und unterrichtet? Seit der sogenannten Flüchtlingskrise wird dieser Frage hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Ein bundesweiter Überblick der Universität zu Köln konnte zeigen, dass in deutschen Schulen unterschiedliche schulorganisatorische Modelle umgesetzt werden, je nach Bundesland und Schulform. Auch von Schule zu Schule gibt es Unterschiede, denn die Schulen verfahren teilweise nach eigenen Konzepten, etwa in welchem Umfang die (additive) Förderung in Deutsch als Zweitsprache erfolgt, wie der Übergang von einer Vorbereitungs- in eine Regelklasse organisiert wird oder welche Lernmaterialien verwendet werden. Auf die Frage nach dem „Wie“ gibt es also zurzeit verschiedene Antworten.
Orientierung kann ein Blick in die Schulsysteme anderer Länder bieten: Wie nehmen die dortigen Schulen neu zugewanderte Kinder und Jugendliche auf? Welche Konzepte und Unterrichtsformen kommen zum Einsatz, und stehen Schulen und Lehrkräfte vor denselben Herausforderungen wie in Deutschland? Um diese Fragen ging es beim Internationalen Symposium Newly Arrived Migrant Children in Schools in Europe – Educational and Linguistic Perspectives. Das Netzwerk „Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in der Schule“ der Universität zu Köln hatte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen aus Dänemark, Frankreich, Österreich, Schweden, Spanien, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich zu Diskussion und Austausch eingeladen. Ziel war nicht nur der Blick über den eigenen nationalen Tellerrand, sondern auch die Anbahnung möglicher Kooperationen.
Im ersten Teil des Symposiums gaben die Teilnehmenden einen Überblick über die Organisation des Unterrichts für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler in ihrem Land. Darauf aufbauend wurden im zweiten Teil übergreifende Themenfelder identifiziert und Ideen für die weitere Zusammenarbeit entwickelt. Zur Einbindung der schulischen Praxis war ein Lehrer eines Kölner Gymnasiums eingeladen, um von seinen Erfahrungen aus einer Internationalen Vorbereitungsklasse zu berichten.

Herausforderungen und Fragestellungen sind ähnlich
Es zeigte sich, dass Praxis und Wissenschaft in den beteiligten Ländern trotz teilweise unterschiedlicher struktureller Rahmenbedingungen vor ähnlichen Fragen stehen wie in Deutschland. Etwa, ob und wie lange es sinnvoll ist, die neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler in separaten Klassen zu unterrichten. Die Klassen werden von Lehrkräften durchaus als notwendiger, geschützter Raum für die Kinder und Jugendlichen mit ihren sehr unterschiedlichen sprachlichen Kompetenzen, Lebensläufen und (Lern-)Bedürfnissen angesehen. Andererseits wird aber auch befürchtet, dass separate Klassen womöglich zur Segregation der Kinder und Jugendlichen beitragen, denn so gibt es weniger Gelegenheiten für den Kontakt zu gleichaltrigen Schülerinnen und Schülern, der eine wichtige Voraussetzung für die soziale Integration und auch für den Zweitspracherwerb ist. Welcher Weg nun der bessere ist – diese Frage konnte auf dem Symposium nicht abschließend beantwortet werden. Vielmehr sind die jeweiligen schulischen Rahmenbedingungen und individuellen Umsetzungsweisen genauer unter die Lupe zu nehmen, um daraus Wege oder Maßnahmen für eine erfolgreiche Eingliederung neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler in das jeweilige Schulsystem abzuleiten.
Weitere Diskussionspunkte waren gezielte Maßnahmen für die Gruppe der Schülerinnen und Schüler, die erst mit 14 Jahren oder älter ins neue Schulsystem eintreten und damit insgesamt weniger Zeit für eine schulische Integration und den Zweitspracherwerb haben. Auch diskutiert wurden Möglichkeiten der Unterstützung von Schulen durch Externe, Erfahrungen mit der Einbindung der Herkunftssprachen, Ansätze zur Zusammenarbeit von Schulen mit den Eltern sowie generell die Berücksichtigung familiärer Ressourcen. Dabei wurde wiederholt deutlich, dass die Diskussion um neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in der Schule stark vom aktuellen gesellschaftspolitischen Diskurs um (Flucht-)Migration im jeweiligen Land beeinflusst ist.

Erfolgreiches Format für den wissenschaftlichen Austausch
Die eingeladenen Expertinnen und Experten bezeichneten das Symposium abschließend als erfolgreiches Format für den länderübergreifenden wissenschaftlichen Austausch. Insbesondere die kleine Gruppengröße und die damit verbundene Möglichkeit zu intensiven internationalen (und auch interdisziplinären) Diskussionen wurde als gewinnbringend betrachtet. Alle Beteiligten zeigten sich interessiert, die Zusammenarbeit fortzusetzen.