Kollaboratives Schreiben mit digitalen Tools – Ein nachhaltiges und integratives Konzept, das Spaß macht

Kollaboratives Schreiben mit digitalen Tools –
Ein nachhaltiges und integratives Konzept, das Spaß macht

von Stanislav Katanneck • Artikel im ZMI Magazin 2021/22, S. 29

Der Bildschirm ist geteilt, die beiden angehenden Studierenden schauen sich und ihren Text an: „Lass uns zusammen überlegen. Sollen wir zuerst Ideen sammeln? Ich fange einfach an zu schreiben, du kannst ergänzen. Am Ende lesen wir den Text und korrigieren zusammen.“ Im Zentrum dieses Online-Unterrichts steht das kollaborative Schreiben eines Textes mit dem digitalen Tool Etherpad. Was an Schulen und Hochschulen kaum praktiziert wird, bietet jedoch eine Reihe von Vorteilen. Ein Plädoyer für kollaboratives Schreiben mit digitalen Tools.

Was ist kollaboratives Schreiben?
Kollaboratives Schreiben zeichnet sich dadurch aus, dass mehrere Schreibende (idealerweise zwei bis drei Personen) gemeinsam einen Text verfassen – vom Planen und Strukturieren des Textes bis zu dessen abschließender Überarbeitung. Auf diese Weise sind produktive und rezeptive Kompetenzen am Schreibprozess beteiligt – das Schreiben wird ganzheitlich. Mit digitalen Tools, wie zum Beispiel dem Etherpad, Padlet oder Zumpad (vgl. Wampfler 2020: 80-84), lassen sich Schreibprozesse höchst flexibel gestalten. So können ganz unterschiedliche Textsorten (Argumentation, klassischer Aufsatz, Zusammenfassungen etc.) synchron im Unterricht oder zeitversetzt als Hausaufgabe verfasst werden.

Zur Umsetzung im Unterricht
Der Schreibvorgang erfolgt immer im Dreischritt: Planung – Formulierung – Überarbeitung (vgl. Bachmann/Becker-Mrotzek 2017: 31). Diese etablierten und ineinandergreifenden Schritte ermöglichen, dass das Schreiben als vielschichtiger Prozess betrachtet wird. Durch die Teamarbeit können sich Schreibende gegenseitig unterstützen, ihre Stärken einbringen und Schwächen ausgleichen. Auf diese Weise wird auch das individuelle sprachliche und metasprachliche Repertoire erweitert. Denn das gemeinsame Suchen nach passenden Begriffen und Formulierungen, das Strukturieren sowie die Überarbeitung am Ende, setzen auch immer einen Reflexionsprozess in Bewegung: „Was kann ich schon und woran muss ich noch arbeiten?“ Abgeschlossen werden sollte der Schreibprozess bestenfalls durch ein Peer-Feedback (vgl. Lehnen 2017: 299), das nach vorgegebenen Kriterien erfolgt (vgl. Wampfler 2020: 56), wie zum Beispiel in Form von offenen Fragen („Gibt es eine passende Einleitung?“) oder nach einem zweigliedrigen Schema („Der Text ist logisch aufgebaut: ja/nein“). Dadurch fällt das Feedback nicht nur konkret aus, sondern regt auch zur Selbstreflexion an und verhindert, dass die Texte „verschlimmbessert“ werden.

In der Wissenschaft ist der lernfördernde Effekt des kollaborativen Schreibens schon seit längerem bekannt (vgl. Becker-Mrotzek/Böttcher 2015: 32-33). Auch die Abiturstandards fordern das Schreiben in Teams (vgl. ebd. 33). Dass das kollaborative Schreiben im Schulunterricht und im Hochschulkontext kaum genutzt wird, kann allenfalls durch den hohen Zeitdruck, die Dichte des Lehrplans sowie die Heterogenität der Lerngruppen erklärt werden. Um dennoch kollaboratives Schreiben in Lernkontexten einzusetzen, könnten niederschwellige Schreibtools, eine passende Auswahl der Aufgabe und eine eventuelle zielorientierte Gruppenaufteilung durch die Lehrkraft hilfreich sein. In einer empirischen Studie zum kollaborativen Schreiben, die im Bereich Deutsch als Fremdsprache der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wurde (vgl. Katanneck i.V.), äußerten sich die Teilnehmenden durchgehend positiv: „Es war sehr nützlich, weil man eine bessere Perspektive hat und den Text besser schreibt, außerdem hat man Spaß beim Lernen.“ Es bleibt zu hoffen, dass sich das gemeinsame Schreiben mit digitalen Tools an Schulen und Hochschulen fest verortet. Schließlich fördert das kollaborative Schreiben im Sinne eines kommunikationsorientierten Unterrichts nachweisbar die Autonomie, motiviert zum Schreiben und trägt damit nachhaltig zur Verbesserung der Schreibkompetenz bei.

Literatur
Bachmann, Thomas; Becker-Mrotzek, Michael (2017): „Schreibkompetenz und Textproduktion modellieren“. In: Becker-Mrotzek, Michael; Grabowski, Joachim; Steinhoff, Torsten (Hrsg.): Forschungshandbuch empirische Schreibdidaktik. Münster, New York: Waxmann: 25-53.
Becker-Mrotzek, Michael; Böttcher, Ingrid (2015): Schreibkompetenzen entwickeln und beurteilen. Berlin: Cornelsen.
Katanneck, Stanislav (in Vorbereitung): „Kollaboratives Schreiben in der Studienvorbereitung. Gezielter Einsatz des Etherpad zur Förderung der Schreibkompetenz“.
Lehnen, Katrin (2017): „Kooperatives Schreiben“. In: Becker-Mrotzek, Michael; Grabowski, Joachim; Steinhoff, Torsten (Hrsg.): Forschungshandbuch empirische Schreibdidaktik. Münster, New York: Waxmann: 299-314.
Wampfler, Philippe (2020): Digitales Schreiben. Blogs & Co. im Unterricht. Stuttgart: Reclam.